Stellungnahme zum Medienbericht ICIJ

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06.03.2023

FSC Schweiz nimmt als Organisation, die sich für eine verantwortungsvolle Waldbewirtschaftung einsetzt, alle Vorwürfe von Fehlverhalten sehr ernst. Wir sind uns der kürzlich publizierten Medienberichte «Deforestation Inc.» des International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) bewusst und untersuchen derzeit die konkreten Vorwürfe, die gegen die Tätigkeiten des FSC sowie der Zertifizierungsstellen erhoben wurden. Wir bekräftigen unser Engagement für die Aufrechterhaltung der Unabhängigkeit und Integrität unseres Zertifizierungssystems und ergreifen Massnahmen, um auftretende Probleme zu lösen. Zudem begrüssen wir Informationen und Beweise über Zertifikatsinhaber, die illegale Abholzung betreiben und/oder mit illegalem Holz handeln.
FSC Schweiz ist überzeugt, dass die Sensibilisierung für eine verantwortungsvolle Waldbewirtschaftung und Kaskadennutzung von regionalem Holz eine wesentliche Voraussetzung ist, um die ökologischen und sozialen Herausforderungen langfristig zu lösen. Langlebige Holzprodukte – wann immer möglich aus der Schweiz – sind zu bevorzugen. 

FSC Schweiz ist sich bewusst, dass es nicht einfach ist, eine so grosse globale Herausforderung wie die Entwaldung zu bewältigen. Alle ergriffenen Massnahmen sind nur dann wirksam, wenn sie von allen Akteuren entlang der gesamten Lieferkette umgesetzt werden und in Gesetzen und Verwaltungssystemen verankert sind. Wir sind der festen Überzeugung und die Erfahrung zeigt, dass freiwillige Initiativen und gesetzliche Regulierungsmassnahmen Hand in Hand gehen können, um positive Ergebnisse für die Wälder der Welt zu erzielen.

Konstruktive Kritik sehen wir als Chance, zu lernen und zu wachsen. Der FSC wird den ICIJ-Bericht als Grundlage für weitere Verbesserungen in seinem System nutzen. Bei vielen der in der ICIJ-Recherche und der nachfolgenden Medienberichterstattung angesprochenen Punkte handelt es sich um pauschale Aussagen, bei denen leider nicht klar zwischen den aufgeworfenen Fragen und Fällen und den spezifischen Reaktionen des FSC unterschieden wird.

Eine objektive Beurteilung bedingt die Berücksichtigung aller Zahlen und der Relationen: Das ICIJ trug Vorwürfe gegen 340 zertifizierte Unternehmen zusammen, die seit 1998 erhoben wurden. Weniger als 15% (50 Stück) davon betreffen Vorwürfe im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitszertifikaten. Diesen Zahlen stehen die aktuell weltweit 53’576 FSC-zertifizierten Unternehmen gegenüber. Runtergerechnet auf ein Jahr wurden im Rahmen der ICIJ-Recherchen im Schnitt ca. zwei Unternehmen mit Nachhaltigkeitszertifikaten entdeckt, gegen die Vorwürfe erhoben wurden. Einige davon sind – wie von ICIJ beschrieben – dem FSC bekannt und die entsprechenden Massnahmen (Entzug des Labels) wurden bei deren Auftreten jeweils konsequent vollzogen. Zur Relation: In den letzten fünf Jahren entzog der FSC 88 Unternehmen das Zertifikat, was im Schnitt 18 pro Jahr entspricht.

FSC Schweiz sieht sich in Anbetracht der Relationen – 50 zum Teil längst aufgearbeitete Fälle innert 25 Jahre bei insgesamt 53’576 aktuell zertifizierten Betrieben – vorderhand nicht dazu veranlasst, von einem grundlegenden Systemfehler auszugehen. Um die Qualität des Systems aufrechtzuerhalten, erachten wir es jedoch als zentrale Aufgabe, die Massnahmen zur Bekämpfung von Missbrauch und illegalen Aktivitäten weiterzuentwickeln. Diese Aufgabe nimmt der FSC ernst, was Initiativen wie etwa die Entwicklung von Blockchain zur Rückverfolgbarkeit der Holzlieferkette zeigen.

Gleichzeitig sind wir uns bewusst, dass kein System, das darauf abzielt, Veränderungen in einem realen, komplexen Umfeld herbeizuführen, jemals 100%ige Perfektion erreichen wird. Nichtkonformitäten mit dem FSC-Zertifizierungssystem stehen oftmals in Zusammenhang mit regionalen Systemproblemen wie Korruption, Versäumnissen bei der Strafverfolgung und Schwierigkeiten bei der sozialen Umgestaltung insbesondere in Risikoländern wie bspw. Ukraine, Rumänien, Myanmar, Indonesia, Malaysia, Vietnam und Brasilien. Die regelmässigen Kontrollen durch die Zertifizierungsstellen können die staatliche Aufsicht und das Vorgehen gegen betrügerische Aktivitäten zwar nicht ersetzen, leisten dazu aber nachweislich einen signifikanten Beitrag. Denn auch staatliche Systeme sind gefordert. Das zeigt sich in der Schweiz im Zusammenhang mit der seit 2012 geltenden Deklarationspflicht für Holz. Kontrollen des eidg. Büros für Konsumentenfragen (BFK) aus dem Jahr 2021 ergaben, dass die Herkunft nur bei gerade 16% des überprüften Holzes korrekt deklariert wurden.

Dass der FSC-Widerhandlungen und Nichtkonformitäten verfolgt und daraus Konsequenzen zieht, zeigen die 88 Firmen, denen FSC allein in den letzten 5 Jahren das Zertifikat entzogen hat. Weiter belegen eine Vielzahl von wissenschaftlichen Studien, deren Resu​ltate (positive und negative Auswirkungen der FSC-Zertifizierung) FSC zusammentrug, dass die FSC-Zertifizierung ein wirksames Instrument zur Umsetzung strenger Regeln ist und sich als Lösung zur Bekämpfung der Abholzung in Nutzwäldern, Naturwäldern und Schutzgebieten erwiesen hat.

FSC Schweiz steht selbstverständlich für regionales Holz aus der Schweiz – das ist aus allen drei Aspekten der Nachhaltigkeit sinnvoll. Jedoch muss man sich bewusst sein, dass der Schweizer Wald wie auch die Schweizer Holzindustrie aktuell leider nicht in der Lage sind, mehr als 50% der Nachfrage an Holzprodukten zu decken – für den Holzbau werden sogar 70% importiert. Mit hiesigen Organisationen arbeitet FSC Schweiz daran die 1. und 2. Verarbeitungsstufe zu stärken und die Importabhängigkeit zu reduzieren.

Im Folgenden möchten wir zu verschiedenen Punkten, die in den Medienberichten im Zusammenhang mit der Recherche «Deforestation Inc.» erwähnt wurden, vertieft Stellung beziehen:
Tätigkeit der Zertifizierungsstellen

Zertifizierungsstellen (engl. Certification Bodies, kurz CBs) sind für die unabhängige externe Überprüfung der FSC-zertifizierten Betriebe verantwortlich. Diese Zertifizierungsstellen werden von «Assurance Services International» (ASI) nach FSC-Standards akkreditiert. Sie müssen die normativen Anforderungen von ASI erfüllen und einen verbindlichen Verifizierungsprozess durchlaufen. Durch den Einsatz einer einzigen, international tätigen Akkreditierungsstelle (statt auf nationale Akkreditierungsstellen zu setzen), gewährleistet FSC globale Einheitlichkeit und ist in der Lage, konsequent gegen Schwachstellen in der Arbeitsweise internationaler Zertifizierungsstellen vorzugehen. Wie bei allen seriösen Labels fliesst kein Geld vom Label zu den Zertifizierungsstellen; denn nur so kann die Unabhängigkeit bewahrt werden. Die regelmässigen Kontrollen werden deshalb – wie bei einer ISO-Zertifizierung oder anderen anerkannten Labels wie beispielsweise Bio Suisse und Fairtrade– durch den Zertifikatshalter bezahlt.

ASI überprüft jede akkreditierte Zertifizierungsstelle im Jahres-Rhythmus. Nach Eingang einer Beschwerde oder der Kenntnisnahme eines Vorfalls, kann ASI angekündigt oder unangekündigt zusätzlich Überprüfungen durchführen. Wenn eine Zertifizierungsstelle den Standard nicht einhält, kann ASI diese suspendieren. Dazu mehr hier.

ASI und FSC werden die in dem Medienbericht erhobenen Vorwürfe gegen die Arbeitsweise der Zertifizierungsstellen prüfen. Um Korruptionsvorwürfe untersuchen zu lassen und letztlich zu verhindern, kann jeder Stakeholder seine Bedenken im Rahmen des FSC-Beschwerdeverfahrens unter https://connect.fsc.org/complaints vorbringen.

Darüber hinaus gibt es im FSC-System strenge Regeln für die Beziehungen zwischen Zertifizierungsstellen und Zertifikatsinhabern. Die Unparteilichkeit wird in den einschlägigen FSC-Anforderungen weitgehend von der Internationalen Organisation für Normung (ISO) übernommen. Weitere Informationen finden Sie hier.

Einflussnahme auf FSC

Um sicherzustellen, dass jede Interessengruppe in der FSC-Mitgliedschaft gleiches Mitspracherecht und gleichen Einfluss hat, müssen Entscheidungen auf Länderebene und auf internationaler Ebene von einer Zweidrittelmehrheit der Mitglieder und der Mehrheit der Stimmen in jeder der drei Kammern (Umwelt, Sozial, Wirtschaft) gebilligt werden. Dadurch wird sichergestellt, dass alle Kammern gleich viel Macht haben und die Autorität eines Mitglieds gegenüber einem anderen unter allen Umständen eingeschränkt wird.

Teakholz-Lieferketten

In Myanmar gibt es keine FSC-zertifizierten Wälder und daher gibt es auch kein FSC-Teakholz von dort. FSC-zertifiziertes Teakholz kann jedoch aus anderen Ländern stammen. FSC ist sich bewusst, dass einige Zertifikatsinhaber sowohl mit zertifizierten als auch mit nicht zertifizierten Teakprodukten handeln. Daher läuft derzeit ein Transaktionsverifizierungsverfahren, welches die globale Lieferkette von FSC-zertifiziertem Teakholz untersucht. FSC wird die Ergebnisse veröffentlichen, sobald ASI seine Untersuchungen abgeschlossen hat.

Die strengen und transparenten Standards von FSC sollen illegales Holz in FSC-Lieferketten verhindern. In den FSC-Standards gibt es klare Regelungen, die für Holz aus Risikogebieten oder Konfliktregionen gelten. Bei Controlled Wood ist dies beispielsweise mit dem Schutz der traditionellen Nutzung und der Einhaltung der Menschenrechte fest verankert. Der Forstsektor darf darin nicht mit gewaltsamen und bewaffneten Konflikten in Verbindung gebracht werden. In den Standards für die Produktkette (Chain of Custody (CoC)) und die Waldbewirtschaftung sind Legalität von Holz und die Einhaltung der Gesetze Grundvoraussetzung für jede Zertifizierung.

Im Rahmen der laufenden FSC-Untersuchung der Teakholz-Lieferketten nehmen wir gerne Informationen und Beweise über Zertifikatsinhaber entgegen, die illegal mit Teakholz handeln. Diesen Hinweisen wird FSC nachgehen und entsprechend Untersuchungen einleiten.

Holzpellets-Lieferkette

FSC hat letztes Jahr im Rahmen der Transaktionsverifizierung für FSC-zertifizierte Holzpellets mit Lieferketten in Vietnam, Thailand, Japan und Südkorea zwei vietnamesische Zertifikatsinhaber aufgrund falscher Angaben gesperrt: An Viet Phat Energy Co Ltd (SGSHK-COC-370077) nutzte bei FSC 100% gelabelten Holzpellets, Rohmaterial aus Quellen, bei denen eine FSC-Zertifizierung nicht bestätigt werden konnte. Tam Phuc Gia Lai Trading Co Ltd (NC-COC-053381) verzichtete auf die jährlichen Audits durch die Zertifizierungsstelle und meldete keine Transaktionen. Dennoch verkaufte es Produkte mit FSC-Zertifizierung, was im Widerspruch zu seinen Transaktionserklärungen steht.
Wenn FSC ein Unternehmen aufgrund falscher Angaben sperrt, kann dieses keine Aktivitäten mehr durchführen, die mit FSC in Verbindung stehen. Das umfasst unter anderem die Beantragung einer Neuzertifizierung, die Verwendung von FSC-Angaben auf Produkten, die Verwendung des FSC-Warenzeichens, die Zertifizierung mehrerer Standorte, etc. Mehr Einzelheiten können Sie hier nachlesen.

Rückverfolgbarkeit

Der FSC setzt wissenschaftlich fundierte Technologien und Innovationen ein, um die Rückverfolgbarkeit in seinem System zu verbessern. Nachfolgend einige Beispiele der Projekte, die das Chain-of-Custody-System stärken und eine bessere Rückverfolgbarkeit entlang seiner Lieferketten gewährleisten:

  • Einer der bemerkenswertesten Trends in der Rückverfolgbarkeit der Holzlieferkette ist der Einsatz von Blockchain-Systemen, die das Potenzial haben, das Management der Lieferkette zu rationalisieren und die Rückverfolgbarkeit zu verändern. FSC arbeitet an der Einführung von Blockchain, um die Integrität seiner Lieferkette durch Echtzeitüberwachung von Transaktionen mit Produkten mit FSC-Angaben/Labels zu verbessern.
  • Eine weitere Massnahme ist die Verwendung von wissenschaftlich fundierten Tests, die der FSC durch Holzidentifizierungstechniken (Wood ID) anwendet. Der FSC arbeitet daran, den illegalen Holzeinschlag zu stoppen und sicherzustellen, dass das in den Lieferketten von FSC-zertifizierten Produkten verwendete Holz aus legalen Quellen stammt. Aus diesem Grund beteiligt sich FSC am WorldForestID-Projekt, mit dem die weltweit grösste Datenbank mit georeferenzierten Holzproben aus allen Regionen aufgebaut werden soll, in denen illegaler Holzeinschlag ein Problem darstellt. Diese Datenbank wird in Fällen helfen, in denen eine Holzidentifizierung erforderlich ist, um die fragliche Herkunft zu beurteilen.
  • Der FSC verwendet sowohl Satellitenbilder als auch Karten des geografischen Informationssystems (GIS), um Daten zu sammeln, die die Waldbewirtschaftungs- und Erhaltungspraktiken der Organisationen belegen. Eines der innovativen Instrumente, die der FSC zur Unterstützung der Waldbewirtschaftungsauditoren bei der Inspektion der Bedingungen in und um zertifizierte Wälder entwickelt hat, ist das FIS GIS Portal. Dabei handelt es sich um eine neue Web-Mapping-Anwendung, die es FSC-Waldbewirtschaftungsauditoren weltweit ermöglicht, auf relevante Geodaten zuzugreifen.

Der FSC setzt sich seit fast drei Jahrzehnten für einen ganzheitlichen Ansatz zur verantwortungsvollen Waldbewirtschaftung ein, bei dem Umweltschützer, indigene Völker, Unternehmen, Arbeitnehmer und andere Akteure aktiv an der Festlegung von Richtlinien und Standards mitwirken, um Wälder als wert-volle Ökosysteme zu erhalten. Der FSC versteht und lebt seinen Auftrag als eine Gemeinschaft, in der verschiedene Akteure auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten: die Gewährleistung der langfristigen Widerstandsfähigkeit der Wälder der Welt.

Die Besorgnis über die weltweite Entwaldung stand von Anfang an im Mittelpunkt der Arbeit des FSC. Der FSC wurde gegründet, als sich eine engagierte Gruppe von Umweltschützern, Unternehmen und führenden Persönlichkeiten zusammentat, um ein bahnbrechendes, marktbasiertes Konzept zur Verbesserung der weltweiten Forstwirtschaft zu entwickeln, nachdem auf dem Erdgipfel in Rio 1992 kein Abkommen zum Stopp der Entwaldung erzielt werden konnte.

Seitdem hat der FSC wesentlich dazu beigetragen, dass sich zertifizierte Unternehmen an die strengsten Standards und Richtlinien halten, die Abholzung verhindern und vitale Wälder erhalten. Der FSC verbessert sein System kontinuierlich und nimmt Fragen der Integrität sehr ernst, indem er bei Bedarf Untersuchungen durchführt und sofortige Massnahme gegen zertifizierte Unternehmen ergreift, die Entwaldung verursachen oder daran beteiligt sind. Daher ist der FSC ein wirksames Instrument zur Umsetzung strenger Praktiken, welches nachweislich einen Beitrag zur Bekämpfung der Entwaldung in Nutzwäldern, Naturwäldern und Schutzgebieten leistet.

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© FSC / Mayank Bhavesh Soni